Modellunabhängige Beschreibung der 𝐵→𝐷𝜋ℓ𝜈 Zerfälle
Semileptonische B-Meson-Zerfälle, die mehrere Hadronen im Endzustand involvieren, spielen eine entscheidende Rolle als Hintergründe für Studien zur Lepton-Flavour-Universalität, wie etwa Bestimmungen von R(D(*)) oder Suchen nach ultra-seltenen Prozessen wie B → Kνν.
Zerfälle dieses Typs stellen im Allgemeinen schlecht verstandene orbital angeregte Zustände des charmquarkhaltigen Mesons dar, die kollektiv als D** bezeichnet werden, sowie nicht-resonante Beiträge von B → Xclν, die weitgehend nicht gemessen sind. Jüngste Studien mit Daten des LHCb-Experiments am CERN liefern starke Hinweise darauf, dass das skalare Mitglied der D**-Familie, das D0*, tatsächlich eine Überlagerung von zwei Resonanzen ist, was darauf hindeutet, dass die Linienform dieses Zustands eine komplexere Beschreibung erfordert als eine einfache Breit-Wigner-Verteilung.
Als ersten Schritt zur Verbesserung des Verständnisses dieser Prozesse entwickelten ein Team von Wissenschaftler/innen des KIT, Fermilab und der Universität Zürich eine neuartige Beschreibung semileptonischer Zerfälle mit hadronischen Endzuständen, indem sie dispersive Methoden anwendeten, um strenge Limits für die kinematischen Eigenschaften der Zerfallsprodukte abzuleiten. Diese Methode behandelt die Zwei-Hadronen-Linienformen auf modellunabhängige Weise unter Verwendung von Omnès-Funktionen, wodurch Modellparameter direkt aus den verfügbaren experimentellen Daten bestimmt werden können.
Mit diesem Formalismus untersuchten sie die Zusammensetzung der B → Dπlν-Zerfälle, indem sie das Dπ-Invariante-Massenspektrum anpassten, das kürzlich vom Belle-Experiment gemessen wurde, um die Plausibilität der Zwei-Pol-Struktur der D0*-Resonanz zu untersuchen. Dabei wurden interessante Ergebnisse erzielt, die darauf hindeuten, dass die semileptonischen Daten tatsächlich mit der Existenz von zwei Polen vereinbar sind, jedoch sind weitere experimentelle Messungen vom Belle-II-Experiment erforderlich, um die genaue Zusammensetzung des Dπ-Spektrums letztlich zu bestimmen.
Raynette van Tonder, Postdoktorandin am ETP und eine der Autorinnen, erklärt: „Diese Arbeit stellt den ersten Schritt zu einer modellunabhängigen Untersuchung semileptonischer B-Meson-Zerfälle in höhere Resonanzen und nicht-resonante Endzustände dar. Unser Ansatz beinhaltet keine Annahmen über die Linienformen von Resonanzen und ist auf andere Zerfallsprozesse mit charmquarkhaltigen Mesonen im Endzustand, wie etwa Bs → DKℓν, erweiterbar.“
Die Arbeit wurde in der peer-reviewed Zeitschrift Phys. Rev. D 110, L091502 veröffentlicht und ist als Preprint verfügbar.
Kontakt: Dr. Raynette van Tonder