Machine Learning mit Graph Neural Networks verbessert die Spurrekonstruktion im Belle-II-Experiment
Die experimentelle Teilchenphysik ist auf präzise Messungen geladener Teilchen angewiesen, einschließlich der Bestimmung des Entstehungsortes und der Impulse der Teilchen. Diese Messungen erfolgen in der Regel mithilfe von Tracking-Detektoren, die die Positionen der Energieabgaben oder "Hits" aufzeichnen, die geladene Teilchen hinterlassen, wenn sie das Detektormaterial entlang ihrer Bahn ionisieren. Eine große Herausforderung in diesem Prozess ist die präzise Rekonstruktion der Bahnen mehrerer Teilchen, insbesondere wenn bei hochenergetischen Kollisionen gleichzeitig eine unbekannte Anzahl von Spuren erzeugt wird.
In einem heute auf einem Preprint-Server veröffentlichten Papier zeigen Forscher/innen des Instituts für Experimentelle Teilchenphysik (ETP) am KIT eine neue Lösung für dieses Problem: den CAT Finder (CDC AI Track)-Algorithmus. Dieser neue Spurfindungsalgorithmus, der auf Graph Neural Networks (GNNs) basiert, ist speziell für die Verwendung mit der gasgefüllten zentralen Driftkammer (CDC) des Belle-II-Detektors konzipiert. Der CAT Finder erkennt gleichzeitig eine unbekannte Anzahl von Spuren, ordnet jeder Spur die Detektor-Hits zu und schätzt die Impulse und Erzeugungspunkte der Teilchen. Diese ersten Ergebnisse dienen dann als Eingabe für einen konventionellen Spurfit-Algorithmus.
Der Algorithmus wurde mit realistischen Simulationsdaten des Belle-II-Experiments in Japan getestet, einschließlich Hintergrundrauschen aus tatsächlichen Kollisionsdaten. Die Ergebnisse zeigten, dass der CAT Finder die bestehenden Spurrekonstruktionsmethoden signifikant übertrifft. So erreichte der neue Algorithmus in Ereignissen mit einem hypothetischen langlebigen Teilchen, das in zwei geladene Teilchen zerfällt, eine Rekonstruktionsgenauigkeit von 85,4%, verglichen mit 52,2% bei der aktuellen Baseline-Rekonstruktion. Darüber hinaus zeigte der CAT Finder eine niedrigere Rate sog. “Fake Tracks” (2,5% im Vergleich zu 4,1%) und stellte sich somit als ein zuverlässigeres Werkzeug für die Datenanalyse heraus. "Fake Tracks" beziehen sich auf fehlerhafte Spurrekonstruktionen, die nicht den tatsächlichen Teilchen entsprechen, die bei der Kollision erzeugt wurden. Solche falschen Spuren können durch verschiedene Faktoren entstehen, darunter Rauschen im Detektor, falsche Zuordnung von Detektor-Hits oder Fehler in den Rekonstruktionsalgorithmen.
Der CAT Finder ist der erste End-to-End-Machine-Learning-Algorithmus zur Spurrekonstruktion, der in einer realistischen Teilchenphysikumgebung wie Belle II angewendet wird, und sein Erfolg deutet darauf hin, dass GNNs eine Schlüsselrolle in zukünftigen Experimenten am Belle-II-Detektor und ähnlichen Einrichtungen spielen könnten. Das Team arbeitet derzeit daran, den CAT-Rekonstruktionscode für die künftige Verwendung in der standardisierten Belle-II-Rekonstruktionssoftware vorzubereiten. Außerdem arbeiten sie daran, solche großen GNNs auf spezieller Hardware nutzbar zu machen, die für das Echtzeit-Triggering des Belle-II-Detektors verwendet werden könnte.
Die Forschung wurde am Institut für Experimentelle Teilchenphysik am KIT durchgeführt. Die Doktorandin Lea Reuter spielte eine führende Rolle bei der Entwicklung: "Im Rahmen meiner Doktorarbeit werde ich nun untersuchen, wie der CAT Finder das Entdeckungspotential für bestimmte Dunkle Materie-Modelle verbessern kann. Durch die Anwendung der neuen Rekonstruktion möchte ich bestehende Suchen nach langlebigen dunklen Higgs-Bosonen verbessern. Eine bessere Spurrekonstruktionsgenauigkeit bedeutet im Wesentlichen, dass wir mehr aussagekräftige Informationen aus denselben Daten extrahieren können."
Die Ergebnisse sind als Preprint auf arxiv verfügbar.
Der Code zur Reproduktion der Ergebnisse ist auf GitHub verfügbar.
Kontakt: Prof. Torben Ferber